Ursprung: Nordische Mythologie
Die Götter aus dem Geschlecht der Asen leben in Asgard, wo sich der Hochsitz Hlidskjalf erhebt, von dem Odin die ganze Welt im Auge behält. Die dort lebenden Götter und Göttinnen erfreuen sich einer anhaltenden Jugend, denn sobald sie altern, beißen sie in verjügende Äpfel. Jenes kostbare Gut bewahrt die Göttin Idun in einer Truhe. Ihr vertrauen die Götter.
Doch eines Tages verschwindet Idun mitsamt den Äpfeln. Die Götter und Göttinnen werden alt und grau; sie versammeln sich und versuchen, herauszufinden, was Idun widerfahren ist. Bei den Befragungen fällt der Verdacht schnell auf Loki, denn das letzte Mal sah man Idun mit ihm, wie sie zusammen Asgard verließen.
Sie fassen ihn, schleppen ihn vor die Versammlung und bringen ihn mit Drohungen zum Sprechen. Der Riese Thjasi hatte Loki genötigt, Idun aus Asgard heraus in einen Wald zu locken, wo er sie in Gestalt eines Adlers verschleppte und nach Thrymheim auf seinen Hof entführte.
Aus Angst vor den Konsequenzen seiner Tat, verspricht Loki, Idun zurückzuholen. Er leiht sich Freyjas Falkengewand, mit dem er nordwärts nach Thrymheim fliegt. Eines Tages erreicht er sein Ziel und findet Idun allein in Thjasis Heim vor, während der Riese auf dem Meer rudert. Loki verwandelt Idun in eine Nuss, ergreift diese und fliegt zurück nach Asgard. Sobald Thjasi Iduns Verschwinden bemerkt, verwandelt er sich in einen Adler und setzt Loki nach. Die Asen sehen, wie Loki und sein Verfolger auf sie zufliegen. Sie legen Hobelspäne vor Asgard aus und sobald Loki hinter dem Burgwall landet, entzünden sie die Späne. Thjasi kann nicht mehr bremsen, die Flammen schlagen in sein Gefieder und er geht zu Boden. Sofort wird er von den Asen erschlagen.
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Die ewige Jugend geht verloren, die Götter altern; doch Idun kann zurückgebracht werden, in Form einer Nuss, eines Samenkorns. Und so erinnert die Geschichte an den Rhythmus der Jahreszeiten. Das ewige Leben der Menschheit (nicht das des einzelnen Individuums) wird durch den Reichtum der Natur gewährleistet (die Äpfel). Wenn das Jahr dem Ende entgegenschreitet, das Leben sich zurückzieht und der Winter kommt (die Götter altern), liegt die Hoffnung bei den Samenkörnern, die ein Fortbestehen der Menschheit ermöglichen.

Quellen:
- Gylfis Täuschung 26., aus: Die Edda des Snorri Sturluson, ausgewählt, übersetzt und kommentiert von Arnulf Krause; Stuttgart 2016, S. 38f.
- Die Sprache der Dichtkunst 1. und 22., aus: Die Edda des Snorri Sturluson, ausgewählt, übersetzt und kommentiert von Arnulf Krause; Stuttgart 2016, S. 81-83 und 123-127.
- Krause, Arnulf: „Die Götter und Mythen der Germanen“; Wiesbaden 2015; S. 49, 78.
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